Wer in der Webdesign- oder Grafikbranche arbeitet, kennt das: man präsentiert Kund:innen ein frisch entworfenes Layout, mit wohlüberlegten und harmonischen Abständen, passendem Weißraum und perfekt proportionierten Bildern. Doch die Kund:in sieht das anders: „Das Logo muss größer sein!“, „Da ist viel zu viel leerer Raum!“ oder „Das Bild sollte doch den ganzen Bereich füllen!“.
Warum sind sich Grafiker und Kund:innen hier so oft uneinig? Und warum ist es meist klüger, dem Profi zu vertrauen?
1. Weißraum <-> Content
Weißraum (auch Leerraum oder „negative space“) – also der leere Platz zwischen Elementen – ist für (Web-)Designer ein bewusster Gestaltungsfaktor. Er sorgt für Lesbarkeit, eine klare Struktur und visuelle Eleganz. Kund:innen hingegen sehen oft nur den „ungenutzten Platz“ und haben das Gefühl, dass „mehr Inhalt drauf muss“. Dabei sorgt gerade der Weißraum dafür, dass Inhalte gut wirken können, thematisch unterteilt werden und dabei dennoch nicht überladen oder chaotisch werden.
Ein schönes Beispiel für den gezielten Einsatz von Weißraum ist das FedEx-Logo. Zwischen den Buchstaben „E“ und „x“ versteckt sich ein Pfeil, der erst beim zweiten Hinschauen auffällt. Der Pfeil steht hier symbolisch für Geschwindigkeit und Präzision – ohne dass dafür ein zusätzliches Symbol oder grafisches Element nötig ist. Genau das macht gutes Design aus: Weißraum ist kein „verschwendeter Platz“, sondern wird gezielt eingesetzt, um die Botschaft subtil und dennoch wirkungsvoll zu transportieren.
2. Größe <-> Proportionen
Kund:innen empfinden ein Logo oder eine Headline zu klein, weil sie sich nur darauf und nur auf dessen Größe konzentrieren. Sie nehmen den umgebenden Kontext nicht mit auf, sondern nur das eine Element. Ein Designer hingegen denkt in Relationen und Proportionen: Wenn das Logo plötzlich doppelt so groß eingebunden wird, sprengt es den visuellen Rahmen und lenkt vom Wesentlichen ab (denn das Wesentlichste ist selten das Logo!).
Ein Beispiel dafür ist das Logo auf Apple-Produkten: es wäre auf jedem iPhone, jedem MacBook und allen anderen Produkten genug Platz, um das Logo doppelt und dreifach so groß zu platzieren – dennoch ist es vergleichsweise klein und zurückhaltend positioniert. Die Marke Apple setzt hier lieber auf ein ausgewogenes Verhältnis von Logo, Freiraum und Gesamtgestaltung, das Professionalität und Hochwertigkeit ausstrahlt.
3. Smartphone <-> Big Screen
In der Anfangszeit des Webdesigns war das Ziel meist, dass eine Website auf jedem Gerät und jedem Browser gleich aussieht. Heute geht es vielmehr darum, dass sie vom Big Screen bis hinunter zum Smartphone überall gut bedienbar ist – und gleichzeitig auf allen Endgeräten die Markenidentität transportiert.
Ein häufiger Punkt in Diskussionen mit Kund:innen: „Alles Wichtige muss sofort sichtbar sein!“ Doch auf Smartphones ist das auf kleiner Bildschirmfläche nur schwer umzusetzen und gilt daher nur bedingt. Scrollen ist dabei die schnellste und intuitivste Art, sich zu bewegen – viel schneller als Klicken, Zoomen, Menüs suchen. Statt alles auf engem Raum zu quetschen, sorgen großzügige Abstände und ein damit klar strukturierter Aufbau dafür, dass die Inhalte leicht erfassbar bleiben. Designer gestalten Websites deshalb so, dass sie auf kleinen Bildschirmen fließend und logisch nutzbar sind, auch wenn man dabei scrollen muss.
4. „Bauchgefühl“ <-> Gestaltungsregeln
Meist verlassen Kund:innen sich auf ihr Gefühl – und das sagt oft: „Mehr ist besser!“. Designer hingegen orientieren sich an erprobten Gestaltungsregeln wie dem Goldenen Schnitt, der Drittelregel oder der optischen Balance. Das kann zu Konflikten führen, wenn ein Kunde lieber „seinem Bauchgefühl“ traut als bewährten Designprinzipien.
Ein klassisches Beispiel: die Hervorhebung von Elementen. Viele Kund:innen möchten, dass alles besonders auffällig ist – große Logos, fette Headlines, leuchtende Buttons. Doch unter Designern gibt es eine simple Regel: „Wenn alles fettgedruckt ist, dann ist nichts fettgedruckt.“ Gutes Design lebt von Hierarchien und Kontrasten. Wenn aber alles gleichzeitig um höchste Aufmerksamkeit kämpft, verliert das Layout seine Klarheit. Profis setzen gezielt Akzente, damit die wichtigsten Inhalte wirklich herausstechen – anstatt in einem visuellen Chaos unterzugehen.
5. Meine Website <-> andere Websites
Kund:innen haben oft eine bestimmte Website im Kopf, die sie „schöner“ finden – sei es die Seite eines Konkurrenten oder einer bekannten Marke. Doch nicht jede Designlösung ist auf jedes Projekt übertragbar.
Jede Marke hat ihre eigene visuelle Identität, Zielgruppe und Botschaft. Was für ein Luxuslabel funktioniert, passt nicht unbedingt zu einem lokalen Dienstleister. Außerdem haben große Unternehmen natürlich weit mehr Budget und Ressourcen für ausgefallene Designs, interaktive Elemente oder Spezialentwicklungen als der Handwerker um die Ecke.
Erschwerend dazu kommt: Was „beeindruckend“ aussieht, ist nicht immer benutzerfreundlich. Riesige Bilder oder verspielte Animationen können Ladezeiten massiv verlängern, die Navigation erschweren und das Ranking einer Website in Suchmaschinen nach unten ziehen. Profis achten darauf, dass eine Website nicht nur ansprechend aussieht, sondern auch funktional, schnell und intuitiv bedienbar bleibt.
Deshalb gilt: Inspiration durch andere Projekte ist gut und hilfreich, aber die beste Lösung ist nicht eine Kopie eines anderen Designs, sondern eine die speziell für die eigenen Bedürfnisse entwickelt und angepasst wurde.
Warum es sich lohnt, einem Profi zu vertrauen
Wer einen Webdesigner oder Werbegrafiker beauftragt, tut das hoffentlich auch deshalb, weil dieser Erfahrung, Fachwissen und ein Gespür für gutes Design hat. Natürlich ist Feedback wichtig, und ein guter Designer nimmt Wünsche ernst. Aber wenn ein Profi begründet, warum bestimmte Abstände, Bildgrößen oder Weißräume Sinn machen, darf man sich getrost auf sein Urteil verlassen.
Gutes Design ist nicht nur eine Frage des Geschmacks – es basiert auf bewährten Designprinzipien, die für Klarheit, Ästhetik und Benutzerfreundlichkeit sorgen. Wer das versteht und dem Experten vertraut, spart sich nicht nur Diskussionen, sondern bekommt am Ende ein besseres Ergebnis.
Artikelbild: „Der vitruvianische Mensch“ (Leonardo da Vinci) – Luc Viatour
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